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Auf einem OMS-Workshop in Abingdon/England Anfang 2007 trug der amerikanische Neurologe Marcel Kinsbourne sehr anschaulich und bewegend einige Beobachtungen und Fragen vor: 

Für die Hirnforschung ist es relativ neu, dass Schädigungen des Cerebellums nicht nur motorische Ausfälle erzeugen, sondern auch Lernbehinderungen und Verhaltensauffälligkeiten. Die Forschung ist noch weit davon entfernt zu verstehen, wie das Cerebellum und evtl. auch andere Teile des Gehirns im einzelnen vom OMS betroffen werden. Sie hat aber auch noch kein klares Konzept, um was für Lernbehinderungen und Verhaltensauffälligkeiten es sich eigentlich handelt. Sind es isolierte, spezifische Teilbehinderungen, Teilleistungsstörungen? Oder handelt es sich vielmehr um eine umfassende, globale geistige Behinderung? Weder das eine, noch das andere scheint für die OMS-Kinder zuzutreffen, die Situation scheint komplexer. Die Forschung muss sich also die Frage stellen: Gibt es ein „Paket“ geistiger und emotionaler Fähigkeiten, die bei einem Angriff auf das Cerebellum besonders gefährdet, besonderen Risiken ausgesetzt sind? In seinem Vortrag zollte Kinsbourne dem Cerebellum als dem „elegantesten“ Teil des Gehirns seine Verehrung, dessen repetitive, regelmäßige Organisation er mit einem Mondrian-Gemälde verglich. Das Cerebellum ist nicht verantwortlich für Entschluß und Initiative, und auch nicht verantwortlich für die Ausführung eines Entschlusses, aber es leistet sozusagen die Qualitätskontrolle, die Anpassung der Mittel, die Koordination, das „timing“. (In einer wunderbaren Abschweifung attestierte Kinsbourne der Bush-Regierung, ihre fehle das Cerebellum.) Das Cerebellum sei, mehr noch als die vordere Hirnrinde, in der Evolution des Menschen ganz disproportional gewachsen – die Koordination, die Funktionen von Händen und Fingern, die geistigen Koordinationsprozesse seien recht eigentlich das, was den Menschen vor den Tieren auszeichne.

Die Hypothese, dass das Cerebellum die Qualitätskontrolle leistet, wirft auch ein ganz anderes Licht auf die Therapierung und Förderung der Kinder mit OMS: Intelligenz- und Leistungstests, die irgendwelche Punktzahlen messen, können nicht dabei helfen, das Potential dieser Kinder richtig einzuschätzen. Es müssten Tests entwickelt werden, die ein Verständnis ermöglichen, welcher Art eigentlich die Fehlleistungen sind und wie und wann diese Fehler auftreten. Das Gleiche gilt für die emotionalen Probleme: Es ist die Variabilität, die Instabilität, die das OMS auszeichnet. Die Kinder sind nicht manisch, nicht depressiv, etc., sondern alles und nichts immer wieder mal – sie haben Gefühle, geben den Gefühlen Ausdruck, aber das in einer entweder nicht hinreichenden oder in einer überschießenden, nicht mehr kontrollierten, nicht mehr der Situation angemessenen Art und Weise. Wenn man danach fragt, was die OMS-Kinder nicht können, muss man diese Frage differenzieren: Was kann das Kind nicht tun? Was könnte es tun, aber Angst oder andere emotionale Faktoren hindern es daran? Und was kann das Kind tun? Die Auffassung, dass die Angriffe auf das Gehirn, die in der akuten Phase des OMS passieren, sozusagen ein Schlachtfeld hinterlassen, mit dessen Trümmern man dann leben muss, ist falsch. Es handelt sich nicht um eine statische Lernbehinderung, sondern um einen dynamischen, sich dauernd verändernden und veränderbaren Prozeß.

Kinsbourne wies auch darauf hin, dass allem Anschein nach die meisten von OMS betroffenen Kindern irgendwo in das weite Spektrum von Autismus gehören. Die Diagnose OMS verstelle oft den Blick dafür, dass die Kinder gleichzeitig von Syndromen wie Autismus und ADS betroffen seien, die eigens behandelt werden können und müssen. Als Merkmal von Autismus benannte er insbesondere die einseitige soziale Interaktion sowie die Überfokussierung, die irgendwann die Entwicklung einer „exzentrischen Persönlichkeit“ befördere und die ja gleichzeitig auch ein Merkmal von ADS sei. Dafür entwickelte Therapien, wie zum Beispiel die „Applied Behaviour Analysis“, könnten trotz ihrer globalen Undifferenziertheit auch OMS-Patienten helfen.

 

Wenn wir OMS als einen dynamischen Prozess verstehen, dann können wir auch prozesshaft auf die Dynamik der Krankheit und der Behinderung einwirken.